[vorab: Frauen*: Wir haben die Begriffe „Frauen“ mit Sternchen* markiert. Damit schließen wir Trans*-Frauen und Inter*-Menschen explizit ein. Egal, wie du aussiehst oder als was du bei der Geburt eingeordnet wurdest – unser Feminismus schließt dich ein. Wir wählen den Begriff Frauen*kampftag, um an frühere feministische Kämpfe anzuknüpfen, deren Forderungen leider immer noch nicht umgesetzt sind. Außerdem wollen wir diejenigen einschließen, die sich nicht als Frauen* verstehen, aber gleichermaßen von sexistischer Diskriminierung betroffen sind, weil sie im Alltag als Frauen* gelesen werden.]

Neujahr 2016: die komplette Bundesrepublik Deutschland scheint sich plötzlich für Feminismus zu interessieren. Seit den Vorfällen am Kölner Hauptbahnhof an Silvester scheint Deutschland urplötzlich ein Problem mit Sexismus zu haben. Doch dieser oberflächliche Eindruck täuscht: Von Beginn an ging es bei Diskussionen um die Kölner Vorfälle nicht um die belästigten Frauen* als Opfer sexistischer Zustände, sondern darum, rassistische Ressentiments inmitten der deutschen „Willkommenskultur“-Gesellschaft unverhohlen und offen unter dem Deckmäntelchen des Schutzes „unserer“ Frauen* zu äußern. Der Duktus, in dem die Debatten zu Köln verliefen, ist neben dem der rassistischen Schlagrichtung ein überwiegend paternalistisch geprägter. Die Grundaussage vieler Beiträge ließe sich reduzieren auf folgenden Satz: „Wir [= i.d.R. weiße, „deutsche“ Männer] müssen unsere [= weißen „deutschen“ Frauen*] vor solchen Übergriffen [also die Übergriffe der „anderen“] schützen“.

Sexismus wird somit externalisiert, den vermeintlich „Anderen“/den Geflüchteten/den „Nicht-Deutschen“ etc. zugeschrieben und damit zugleich der eigene Anteil an sexistischen Strukturen verneint. So rief beispielsweise in Regensburg ausgerechnet die separatistische, männerdominierte „Bayernpartei“, die sonst gern mal gegen „Genderwahn“ polemisiert und gegen eine vermeintliche „Asylanteninvasion“ hetzt, mit Rückbezug auf Köln zu einer Kundgebung für „Bayerische Frauenpower“ auf. [1] Ob das bundesweite Entsetzen und der Ruf nach sofortigen Maßnahmen & Bestrafung wohl ebenso laut und vehement sein werden, wenn sich die Vorwürfe massiver sexueller Übergriffe auf geflüchtete Frauen* in einer Unterkunft in Köln durch die Mitarbeiter einer (deutschen) Sicherheitsfirma bewahrheiten? [2]

Sexualisierte Gewalt und Übergriffe auf Frauen* sind kein Novum der Jahreswende 15/16, sondern seit jeher integraler Bestandteil und Alltag in der patriarchal geprägten Gesellschaft der BRD. Auf EU-Ebene sieht dies dann laut einer Studie aus dem Jahr 2014 wie folgt aus: jede 3. Frau* wurde bereits Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt – bei über einem Fünftel war der Täter der eigene Partner. Rund 50 % der Frauen* gaben außerdem an, schon einmal sexuell belästigt worden zu sein. [3] Hinzu kommen zahlreiche Ungleichheiten im Arbeitsbereich: während der Großteil (unbezahlter) Hausarbeit und schlecht bezahlter care-Arbeit von Frauen* erledigt wird, finden sich auf der oberen Hälfte der Karriereleiter überwiegend Männer: so ist zum Beispiel lediglich jede 5. Professur an deutschen Hochschulen und Universitäten mit ein einer Frau* besetzt, in den Vorständen der 101 deutschen börsennotierten Unternehmen liegt der Frauen*anteil unter 14 %. [4] Darüber hinaus lassen sich unter dem Stichwort gender pay gap erheblich Lohndifferenzen zwischen Frauen* und Männern feststellen.

Aber auch vermeintlich überholte, da bereits erreichte feministische Forderungen wie das Recht auf körperliche Selbstbestimmung vor allem im Hinblick auf Abtreibungen müssen weiterhin erkämpft werden: mit dem § 218 wird Abtreibung in der BRD weiterhin kriminalisiert. Zugleich scheint die selbsternannte „Lebensschutz“-Bewegung christlicher FundamentalistInnen Zulauf zu bekommen [5]. Auch in Regensburg finden regelmäßig „Gebetsvigilien“ von AbtreibungsgegnerInnen statt; mit Bischof Voderholzer hat die Domstadt darüber hinaus einen glühenden Verfechter von Antifeminismus, Abtreibungsverboten und Homophobie zu bieten. [6]

Angesichts solcher Missstände [7] und sexistischer Zustände rufen wir für den 5. März zu einer Demonstration anlässlich des Internationalen Frauen*kampftags [8] auf. Raus auf die Straße: gegen den sexistischen Normalzustand und solidarisch mit allen emanzipatorischen Kämpfen, weil eine freie Gesellschaft nur mit der Emanzipation aller Menschen möglich ist!
Details findet ihr hier: https://www.facebook.com/events/1128591217159908/

[1] Vgl. http://www.regensburg-digital.de/ein-spiel-mit-aengsten-und-geschmacklosen-instrumentalisierungen/16012016/; Zugriff am 19.2.2016.
[2] zu den Vorwürfen vgl. http://www.taz.de/!5276580/; Zugriff am 19.02.2016.
[3] Vgl. https://www.tagesschau.de/ausland/studie-gewalt-gegen-frauen100.html; Zugriff am 19.2.2016.
[4] http://www.zeit.de/karriere/2015-05/frauen-fuehrungspositionen-anteil-2015, Zugriff am 19.02.2016.
[5] Vgl. Sanders, Eike/Jentsch, Ulli/Hansen, Felix: „Deutschland treibt sich ab“. Organisierter „Lebensschutz“, christlicher Fundamentalismus und Antifeminismus, Münster 2014.
[6] Vgl. http://www.regensburg-digital.de/maria-voll-der-gnade/02022016/; zur Bischof Voderholzer: http://www.mittelbayerische.de/bayern-nachrichten/voderholzer-protestiert-gegen-abtreibung-21705-art1284526.html; http://jungle-world.com/artikel/2014/24/50026.html; Zugriff am 19.02.2016.
[7] Und vieler weiterer, die des begrenzten Platzes wegen keine Aufnahme mehr in den Text fanden.
[8] Da der 8. März dieses Jahr auf einen Werktag fällt, haben wir beschlossen die Demonstration auf das Wochenende davor zu verlegen.